Leopard 2 PSO - Eine Großkatze macht sich stadtfein

Urbane Herausforderung Peace Support Operations

Kaum ein militärisches Szenario ist in Zeiten der asymmetrischen Bedrohung und der internationalen friedenserzwingenden Maßnahmen so wahrscheinlich geworden wie das von Kampfhandlungen im bebauten Umfeld. Urbane Operationen, UrbOp, meint heute das gesamte Spektrum militärischer Handlungen in bebautem Gelände. Der klassische Orts- und Häuserkampf bildet hierin lediglich die höchste Eskalationsstufe. Am anderen Ende des Spektrums finden sich typische stabilisierende Maßnahmen des Nation Building wie Aufbau- und Hilfsleistungen, gepaart mit Kontroll- und Patrouillentätigkeiten. Militärische Operationen im urbanen Umfeld stellen besonders hohe Anforderungen an die eingesetzten Truppen und hier wiederum im Besonderen an die Führung auf unterer taktischer Ebene. Das üblicherweise stark gegliederte, unübersichtliche, deckungsreiche und zudem dreidimensionale Operationsgebiet erschwert nicht nur die Aufklärung und Bewegung, es bedingt auch plötzlich auftretende Gefechtshandlungen auf kürzeste Distanzen. Bei möglicherweise gleichzeitiger Anwesenheit unbeteiligter Zivilbevölkerung erfordert diese Umgebung nicht nur ein Vorgehen, das natürlich darauf abzielen muss, Kollateralschäden zu vermeiden, sondern auch noch im besonderen Maße einen höheren Schutz der eigenen Truppen. Denn die an Sichtschutz und effektiver Deckung reichen Gegebenheiten in Städten ermöglichen gerade auch einem technisch unterlegenen Gegner durch asymmetrische Kampfart wirkungsvolles Vorgehen gegen hochtechnisierte Truppen. Mit relativ einfachen Mitteln lassen sich in diesem Gelände effektive Hinterhalte und improvisierte, verdeckte Sprengfallen, so genannte IED, Improvised Explosive Devices, realisieren und so teilweise ein erheblicher Kampfwert erreichen. Das klassische Beispiel Heckenschütze zeigt zudem, dass im Ortskampf mit vergleichsweise geringem Einsatz ganze Räume dominiert werden können, wenn es dem Gegner an effektivem Schutz mangelt. Gleichzeitig mindern dieselben baulichen Strukturen und die mögliche Anwesenheit der Zivilbevölkerung die Effektivität und Einsetzbarkeit moderner Abstandswaffen, die mechanisierte Beweglichkeit und die Möglichkeiten der taktischen Aufklärung.

Bisherige Antworten

Den besonderen Anforderungen von UrbOp lässt sich vorerst nur mit dem Einsatz verbundener Waffen und Kräfte begegnen. Im Klartext, mit der Kombination verschiedener, in unterschiedlichen Truppenteilen realisierten Fähigkeiten. Gerade jüngere Erfahrungen der US-Armee im Irakkonflikt haben sehr deutlich gezeigt, dass bloße erhöhte Aufmerksamkeit und Aufklärungstätigkeit der hierbei auftretenden erheblichen Gefährdung nicht gerecht werden können. Situational Awareness hieß die Forderung der Führung an die Truppe. Im Prinzip sicher richtig, aber als taktische Antwort auf die Bedrohung durch IED und Hit-And-Run-Taktiken, wie z.B. im Chaos von Falludscha, im wahrsten Sinne des Wortes etwas dünn. Auch die langjährigen und schmerzhaften Erfahrungen der IDF, Israel Defense Forces, haben gezeigt, dass nur das enge Zusammenwirken von Infanterie mit der gepanzerten Truppe eine probate taktische Antwort auf die typischerweise extrem rasant eskalierenden Situationen des asymmetrischen Kampfes in bebautem Umfeld darstellt. Gerade die schweren mechanisierten Kräfte haben sich hier mit ihrer geschützten Mobilität, ihrem psychologischen Drohpotential, der Wirksamkeit der Bewaffnung und vor allem dem hohen Schutz, den sie bieten, bewährt. Natürlich darf hierbei nicht verschwiegen werden, dass Israels Armee auf strategische Verlegbarkeit der Truppen weitgehend verzichten kann, aber trotzdem bleiben die Lehren, die auf taktischer und operativer Ebene zu ziehen sind, auch für westliche Armeen, die vor der Aufgabe PSO stehen, uneingeschränkt richtig. Russland hingegen hat im Tschetschenienkonflikt gezeigt, wie es nicht geht. Berichten zufolge verloren sie 1995 in den ersten drei Tagen der Kämpfe um Grozny zwanzig von sechsundzwanzig eingesetzten schweren Kampfpanzern. Grund hierfür war auch die schlechte Koordination der beteiligten Truppen des Innenministeriums, aber vor allem zeigten sich die Verteidiger Groznys wenig beeindruckt von der aufgefahrenen Militärtechnik. Sie suchten sich Stellungen außerhalb der Erreichbarkeit der Hauptwaffe der Kampfpanzer, in höheren Stockwerken umliegender Gebäude, und schalteten so einen nach dem anderen aus. 1999 und 2000 wurden deshalb von russischer Seite keine Kampfpanzer mehr eingesetzt. Stattdessen wurde auf massive Artillerie- und Luftunterstützung vertraut. Mit den bekannten katastrophalen Folgen für Zivilbevölkerung und Infrastruktur und mittelfristig sicher auch für die weitere Entwicklung des gesamten Krisenherdes. Etwa vierzig Prozent der militärischen Konflikte, an denen die US-Armee in den letzten zwanzig Jahren beteiligt war, fanden bereits fast ausschließlich in bebauten Gebieten statt. Internationale Stabilisierungsoperationen und friedenserzwingende Maßnahmen, die naturgemäß besonders auf die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Zentren einer destabilisierten Region abzielen, sind zum weit größeren Teil UrbOp und sollten deshalb nach den Erfahrungen der IDF und der US-Armee auch "Joint" sein, also im Verbund unterschiedlicher Kräfte und Waffen unter Einbeziehung von Kampfpanzern durchgeführt werden. Die Konzeption der Panzergrenadiertruppe der Bundeswehr deckt mit ihrer Kombination aus hoher Beweglichkeit, Panzerschutz, aufgesessener und abgesessener, infanteristischer Kampfweise prinzipiell schon einen großen Teil des an westliche Armeen zu stellenden Forderungskatalogs ab. Es wäre ratsam, den Ausbildungsschwerpunkt gerade für diese Truppengattung auf MOUT-Szenarien, Military Operations on Urbanized Terrain, zu legen und entsprechende gemeinsame Lehrgänge und Übungen mit der Panzertruppe zu schaffen. Im gesamten Spektrum des Eskalationsbereiches, nicht nur im Orts- und Häuserkampf, kommt gerade der Panzertruppe als unverzichtbarer Schutz anderer beteiligter Kräfte, als unübersehbare Dokumentation des Willens, ein robustes Mandat notfalls auch mit robusten Mitteln umsetzen zu wollen, und als wichtige, sofort verfügbare Unterstützungswaffe eine Schlüsselstellung zu. Das unterstreichen auch die Erfahrungen aus dem Irakkonflikt, wo teilweise sogar einzelne Kampfpanzer einem gemischten Stoß- oder Patrouillentrupp beigeordnet wurden, und diesem dann, entgegen früherer Lehren, als Speerspitzen vorausfuhren. Dabei zogen sie das feindliche Feuer auf sich, brachten teilweise unbeschadet IED zur Detonation, schlugen Breschen oder Durchbrüche bei Hinterhalten und verschafften als wirkungsvolle Unterstützung den nachfolgenden infanteristischen Truppenteilen Raum zur Reaktion. Trotzdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der enge, dreidimensionale Operationsraum auch den Kampfpanzer im besonderen Maße verwundbarer macht. Verantwortlich hierfür sind vor allem die durch die Bebauung behinderte Beweglichkeit, die begrenzte Elevation der Hauptwaffe, die eingeschränkte Sicht, die toten Winkel im Nahbereich und die relative Schwäche der Panzerung von Heck, Seite und Turmdach. Diese Faktoren machen den Kampfpanzer bei den typischen kurzen Kampfentfernungen der MOUT und bei nahezu beliebiger Angriffsrichtung eines fast unsichtbar agierenden, plötzlich auftauchenden Gegners besonders anfällig für Panzerabwehrhandwaffen. Tatsächlich gingen von den ersten elf im Irakkonflikt 2003 abgeschossenen amerikanischen Main Battle Tanks M1A1 Abrams einer durch einen Blue on Blue Vorfall, also durch einen versehentlichen Angriff auf die eigene Truppe, verloren, und alle restlichen zehn ausnahmslos durch irakischen Beschuss der Heckregion mit RPG7 oder RPG16. Im Gegenzug wird an dieser Stelle auch die Bedeutung der Infanterie als unerlässlicher Schutz für die beteiligten Kampfpanzer deutlich.

Der Neue

Vor diesem Hintergrund wurde von Krauss-Maffei Wegmann der Leopard 2 PSO, Peace Support Operation, entwickelt, für MOUT optimiert und auf der Eurosatory 2006 in Paris erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellt. Basis der komplett aus Eigenmitteln finanzierten Entwicklung ist der Leopard 2 A5. Die kürzere Rohrlänge der Hauptwaffe und das etwas geringere Gewicht dieser "älteren" Version sind der Grund dafür, dass sie und nicht der Leopard 2 A6 als Ausgangspunkt gewählt wurde. Ohnehin besteht die Hauptbedeutung der schweren Kampfpanzer im städtischen Umfeld nicht so sehr in der Waffenwirkung selbst, sondern eher in dem hohen realisierten Panzerschutz. Die 1,3 Meter kürzere Hauptwaffe der A5-Version stellt in den typischerweise engen Räumen bei urbanen Operationen sogar einen Vorteil da. (Anmerkung für die Redaktion: An dieser Stelle fehlt noch eine zuverlässige Quelle bzw. Bestätigung von KMW. Es scheint zwar durchaus plausibel, dass es sich hier um A5 mit L44 handelt, aber diese Passage basiert bisher nur auf Internetquellen.) Wesentliche Veränderung und Antwort auf die Rundumbedrohung im städtischen Operationsraum sind der zusätzliche Minenschutz und eine Verstärkung der Panzerung im Bereich von Seiten, Dach und Heck. Hinzu kommt eine unter Schutz bedienbare Ladeschützenwaffenstation mit hoher Elevation. Hauptgrund für diese neue Sekundärwaffenstation ist nicht etwa eine Erhöhung der Feuerkraft, eher schon die feinere Abstufung selbiger, sondern die Schaffung der im städtischen Umfeld essenziellen Möglichkeit, auch im unmittelbaren Nahbereich in höhere Stockwerke der Bebauung hineinwirken zu können. Des Weiteren ist zu nennen, ein gegen Steinwürfe gehärtetes 360°-Kamerasystem zur Nahbereichssicherung und Ausschaltung von toten Winkeln, dessen Bilder intern auf die Besatzungsmitglieder aufgeteilt werden können. Ein Räumschild zur Aufrechterhaltung der Mobilität auch in verbarrikadierten oder stärker schuttbefrachteten Strassen, modernste Führungs- und Kommunikationssysteme, Nachtsicht- und Wärmebildgeräte sowie Suchscheinwerfer. Eine Außensprechstelle für Infanteristen, zur Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten in gemischten Einsatzgruppen, und des Weiteren Maßnahmen zur Steigerung der Durchhaltefähigkeit und Autarkie, wie etwa eine leistungsstarke Kühl- und Klimaanlage, sowie notwendig gewordene Veränderungen an der Energieversorgung. Hinzu kommt eine mögliche nichtletale Bewaffnung.

Vorläufiges Fazit

Nun liegt es an den staatlichen Entscheidungsträgern zu beweisen, dass man nicht erst jede schmerzhafte Erfahrung selber machen muss, um aus ihr lernen zu können. Die Einführung des Leopard 2 PSO in der Bundeswehr wäre sicher ein erstes sichtbares Zeichen dafür. Fraglich bleibt aber, ob sich aus einem Waffensystem, welches Jahrzehnte lang im Hinblick auf die große Panzerschlacht um den erwarteten Vorstoß der Warschauer Pakt Armeen zwischen Kassel und Würzburg (Fulda Gap) optimiert wurde, durch einige eher simple Änderungen eine passende Antwort auf die Herausforderungen urbaner Operationen im Rahmen von friedenserzwingenden- und friedenserhaltenden Maßnahmen gewinnen lässt. Sicher ist dies ein unter finanziellen Einschränkungen gangbarer Weg und erster Schritt in die richtige Richtung, aber ohne wirklich große Übungsräume, in denen Joint and Combined, also Truppengattungs- und Nationenübergreifend im Bataillonsrahmen erprobt, geübt und ausgebildet werden kann, hat sich das operative und strategische Denken und Handeln noch nicht weit genug von der Fulda Gap entfernt. EU Battle Groups und NATO (NRF) werden aller Voraussicht nach in weit höheren Maße im städtischen Umfeld operieren müssen, als aus bisherigen Konflikten bekannt. Ein Räumschild, eine neue sekundäre Waffenstation und Zusatzpanzerungen an eine für gänzlich andere Aufgaben entwickelte und optimierte Waffenplattform können da eigentlich nur eine erste und vorübergehende Antwort bleiben.





Thomas Basier